Beautiful india! 

Hallo liebe Leser

Dieser Bericht ist etwas anders als das, was ihr von diesem Blog gewöhnt seid. Der Grund dafür ist einfach, ich bin nicht Melanie. Zur Abwechslung darf somit ich euch  mit meinem Reisebericht unterhalten. Mein Name ist Nico und für die die mich nicht kennen: Ich bin der Freund von Melanie und hatte das Glück, sie zweieinhalb Wochen besuchen zu können, um das zu sehen, was sie nun schon seit drei Monaten ihre Welt nennt.

Am 26.Dezember setzte mein Flugzeug nach 19 Stunden Flugzeug in Bangalore auf. Nachdem ich ein Weilchen durch die modernen, blankpolierten Marmorhallen des neuen Bangalorer Flughafens geirrt bin, trete ich endlich nach draußen an die frische Luft. Ich bin kurz überrascht, es ist warm aber nicht heiß, ein leichter Wind geht und von Smog ist kaum etwas zu spüren.

 

Endlich entdecke ich, zwischen den tausenden Pappschilder schwingenden Indern Melanie. Sie sticht zwischen den Indern schon allein dadurch heraus, dass sie und Jule als einziges ein traditionell indisches Gewand tragen, während alle anderen in Jeans und T-Shirt unterwegs sind. Aber dieses Hervorstechen ist positiv, sie sieht gut aus in ihrer Chudita, frisch, entspannt ja glücklich.

 

Mit das Erste was sie mir auf den Weg gibt ist, dass dieser Flughafen, ja diese ganze Stadt nicht das sind, was Indien ausmacht. Sie sind Ergebnisse des Versuchs  Indiens, sich dem Westen anzunähern. Hier werden Flugzeuge gebaut und Computer programmiert.  Hier haben große Firmen ihre Sitze und ihre Callcenter. Hoch ragen Gebäude aus Glas und Stahl über die Stadt auf, in der die Leben, die „es geschafft“ haben. Aber auch die, die bei dem Versuch es zu schaffen gescheitert sind. Immer wieder sieht man die Hütten der Armen wie sie sich schüchtern im Schatten der Plakatwände –auf denen Handys und Luxusuhren abgebildet sind- zu verstecken scheinen. In dieses Ungetüm von Stadt fahren wir und je weiter wir in sie vordringen, auf dem Weg den Rest unserer Reisegruppe zu treffen, desto größer werden Smog und Lärm.

Aber obwohl Melanie mir auf der Fahrt versichert, dass der Straßenverkehr hier zu geordnet und alles zu modern sei, teile ich ihre Meinung, dass das nicht das wahre Indien sei im Nachhinein nicht. Diese Stadt zeigt schön wie vielfältig und unterschiedlich Indien ist. Indien ist modern und rückständig zugleich. Arm und reich liegen oft nur Meter voneinander entfernt. Indien hat Atomwaffen aber gleichzeitig sieht man Soldaten mit Repetiergewehren aus dem 1.Weltkrieg patrouillieren. Indien hat beeindruckende Natur aber auch gewaltige Müllberge. Uralte Tempel und moderne Hochhäuser stehen Seite an Seite und Frauen dürfen oft nicht selbst entscheiden wen sie Heiraten aber gleichzeitig war dort schon eine Frau Regierungschefin, als Angela Merkel noch zur Schule ging.  Jeder Versuch, dieses Land in ein paar Wochen zu begreifen oder in ein paar Sätzen zu erläutern muss daher scheitern.

 

Was ich aber kurz beschreiben kann ist unsere Reisegruppe. Elf Personen einmal bestehend aus 2 Mädchen die ihr FSJ in Salem leisten mit Freund bzw. Schwester, eine gute Schulfreundin von mir, die ihren Platz in Bangalore hat, Jules beide Schwestern und eine Freundin und zuletzt Melanie und Ich.

Mit dieser Truppe sind wir am nächsten Tag zur ersten Etappe unserer Reise gestartet. Diese führte von Bangalore nach Mysore. Hier verbrachte ich meine ersten zwei Stunden in einem Indischen Zug. 56 weitere Stunden mit Bus und Bahn sollten folgen. Weil Ich so viel Zeit in ihnen verbracht habe, möchte ich es mir nicht nehmen lassen, ein bisschen zu erzählen, was das Einzigartige an Indiens öffentlichem Personen Fernverkehr ist. Zunächst einmal: Es ist unglaublich billig. Eine Reise über 10 Stunden und hunderte Kilometer kostet weniger, als ein Einzelfahrschein der Freiburger Verkehrsbetriebe. Zweitens fährt in Indien längst niemand mehr auf Zugdächern, wie man das aus alten Filmen kennt. Die Züge sind meistens noch nicht einmal unverhältnismäßig voll, zumindest nicht voller, als ein deutscher Regionalzug um 1 Uhr mittags während der Schulzeit.

 

Doch während sich Zugfahrten eigentlich nur durch Details, wie die Tatsache dass man 12 Stunden in eine Richtung fahren kann und noch nicht mal einen Bundesstaat verlassen hat oder das die Zugtüren steht’s offen sind und so manch waghalsiger Fahrgast dies bei  Gelegenheit für eine Abkürzung seines Weges nutzt, unterscheiden, sind Busfahrten etwas ganz anderes. Öffentliche indische Busse werden zumeist nur von Rost und den Gebeten des Fahrers zusammengehalten. Aufgrund dieser Konstruktionsweise sind die obligatorischen Götterbilder um den Fahrersitz, wohl das primäre tragende Element eines solchen Busses. Entsprechend ist auch der Komfort strenggenommen nicht für längere Fahrten geeignet aber dafür haben Indische Busse ein anders großes Plus. Sie kommen niemals zu spät! Dies ist nur möglich aufgrund eines revolutionären Konzepts: Es gibt schlicht und ergreifend keine offiziellen Abfahrtszeiten. Selbst das Informationsbüro am Busbahnhof kann einem keine präziseren Auskünfte geben, als „der Bus fährt 3 mal am Tag“. Die einzige Person die weiß wann ein Bus wo zu sein hat, ist der Busfahrer. Der hält sich aber meist so strikt daran, dass er auch kein Problem hat, im Zweifel einen sich erbrechenden Touristen stehen zu lassen und weiterzufahren.  Ich fand dieses Konzept so beeindruckend, dass ich es bei Gelegenheit mal der Deutschen Bahn vorschlagen will.

 

Doch wenn wir nicht gerade in Bus oder Bahn saßen, waren wir damit beschäftigt, einen weiteren spektakulären Ort in Indien zu entdecken. Angefangen mit Mysore wo sich Melanie, zwischen der Besichtigung von Palast, Markt und Tempel, einen kleinen Kampf mit einer Kuh lieferte. Nachdem wir uns von diesem Schrecken erholt hatten, setzten wir unsere Reise nach Gokarna fort. Nach einer harten zwölfstündigen Busfahrt, die nicht gerade dadurch erleichtert wurde, dass 7 von 11 Reisenden schlecht war, kamen wir an einem Hotel mit wunderschönem Strand an. Palmen, Sand, beeindruckende Felsen und ein unvorstellbar schöner Sonnenuntergang machten diesen Strand zu einer Art Paradies.  Hier verbrachten wir auch Silvester und wurden Zeugen eines indischen Unterhaltungsprogrammes, welches sich vor allem durch unbeabsichtigte Komik auszeichnete, welche auch darauf zurückzuführen war, das Inder keinen Alkohol vertragen. Daher rührte es mich auch, dass mir erst von rund 20 Indern mit Umarmungen und Küsschen zum neuen Jahr gratuliert wurde, bis ich es endlich schaffte mich zu Melanie durchzukämpfen. Das mag nicht wirklich romantisch sein aber zumindest war es absolut witzig.

 

Es ist allerdings durchaus gewöhnungsbedürftig so viel Aufmerksamkeit von völlig Fremden zu bekommen. So fühlten wir uns bei einem Zoobesuch fast so als wären wir die Hauptattraktion und nicht die Löwen und Tiger. Aller paar Meter wollte irgendjemand Fotos von oder mit uns machen und hätten wir für jedes Foto 5 Rupien (6,5 Cent) verlangt, dann hätten wir wahrscheinlich unsere kompletten Reisekosten wieder drin gehabt.

Ich merke gerade, dass ich schon über tausend Wörter  geschrieben habe und dass ich, wenn ich alles was ich erlebt habe, so weiter beschreiben will, am Ende ein Buch habe. Daher schreibe ich nur noch kurz, dass sich nach Mangalore unsere Gruppe etwas auflöste und nur noch Melanie, Jule und ihre jeweiligen Anhängsel (dazu zähle ich auch mich) mit nach Madurai kamen.

 

Zu Madurai wurde hier schon genug berichtet, daher will ich nur kurz noch von unserem Trip nach Kumily berichten.  Kumily ist eine Stadt in den Bergen, etwa vier Bus Stunden von Madurai entfernt. Sie liegt am Rand eines Großen Nationalparks, der besonders für seine Elefanten und Tiger bekannt ist. Dort haben wir uns noch einmal zwei Tage richtig wie Touristen benommen. Mit einem vorgebuchten Programm, bestehend aus einer Safari, klassischem indischem Tanz, Elefantenreiten, Gewürzgarten und Teeplantagen besichtigen, haben wir uns auch mal wie die pauschal Urlauber gefühlt, die im vollklimatisierten Privathaus durch Indien fahren, von ihren Guides bei jeder Sehenswürdigkeit einmal kurz rausgeschmissen werden und für die die schwierigste Entscheidung ist, ob sie in ihrem Tourihotel tatsächlich mal indisches Essen probieren wollen oder doch bei Pommes bleiben.

 

 Ich könnte noch Tausende Seiten schreiben aber wahrscheinlich würde sie dann niemand mehr lesen deshalb will ich hier langsam Zum Ende kommen.

 

Als ich schließlich nach unglaublich erlebnisreichen Wochen wieder im Flugzeug saß, und dabei zusah, wie Bangalore unter mir versank, durch den Smog im Sonnenaufgang in ein gespenstisches Blutrot getaucht, wusste ich, dass ich nicht einmal an der Oberfläche eines Landes gekratzt hatte, welches so faszinierend wie riesig ist.

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